Das Martinus Forum bewahrt mit dem Alten Pastorat die älteste Gebäudesubstanz des Ortes und markiert einen neuen Meilenstein für die Wevelinghovener Ortsgeschichte. Ein Rückblick:
1648
Zum Ende des 30jährigen Krieges kommt es zur Schlacht bei Wevelinghoven. Die französischen und hessischen Soldaten siegen über die kaiserlichen Truppen. Der damals bereits protestantisch geprägte Ort brennt nieder.
1649
Katholiken und Protestanten streiten um die Besetzung der Pfarrstelle. Der Westfälische Frieden legt fest, dass die Protestanten das Gotteshaus und seine Nebengebäude erhalten. Anlaufpunkt der Katholiken ist das Kloster Langwaden.
1650
Wiederaufbau: Zimmerleute wählen Hölzer aus, die sich in ihrer natürlichen Krümmung und Festigkeit für den Dachstuhl des Alten Pastorats eignen. Die Eichenbalken werden zum Barockgiebel zusammengefügt und halten bis heute.
1651
Ein Vergleich zwischen dem katholisch geprägten Kurköln und den seit der Reformation evangelisch orientierten Bentheim führt dazu, dass beide Konfessionen am Ort die Kirche und den Kirchenbesitz gemeinsam nutzen sollen.
1653
Stuckateure verzieren die Kaminhaube an der Giebelwand und hinterlassen ein wichtiges Detail: In der Mitte des Sturzes gestalten sie einen springenden Löwen mit wilder Mähne, der eingefasst wird von der Jahreszahl 1653.
1660
Der katholische und der evangelische Geistliche leben gemeinsam im Alten Pastorat und dies bleibt auch noch in den kommenden zehn Jahre so. Der eine schaut auf eine Kölner Decke, der andere auf eine Stubendecke.
1670
Die (teils recht vermögenden) Reformierten Wevelinghovens haben ein neues Domizil gebaut, sie überlassen Kirche und Pastorat den Katholiken zur alleinigen Nutzung. Damit endet die simultane Nutzung der Kirche und des Pastorates.
1833
Das Alte Pastorat bekommt einen neuen Nachbarn. Die baufällig gewordene Vorgängerkirche ist abgerissen, die heutige Katholische Pfarrkirche St. Martinus im spätklassizistischen Baustil ist entstanden.
1839
Pfarrer Michael Poll schreibt in einem Brief, dass er nur vorübergehend in das Pastorat einzieht – bis ein Neubau steht. Offenbar ist das alte Gebäude in schlechtem Zustand. Dies besagt auch ein Gutachten des damaligen Bauinspektors Westphalen.
1843
Gutachter Julius Thomas aus Neuss, bemängelt ebenfalls den schlechten Zustand der Bausubstanz. Er findet unter anderem feuchte Mauern, abgenutzte Böden, abgerissenen Putz und eine gefährlich durchhängende Decke vor.
1853
Kreis-Baumeister Westphalen kommt nach 14 Jahren erneut zur Ortsbesichtigung ins Alte Pastorat und muss feststellen, dass sich die Zustände nicht verbessert haben. In sein detailgenaues Gutachten nimmt er auch eine Scheune und einen Stall auf.
1857
Die Katholiken sollen im Rahmen der allgemeinen „Volksmission“ zu einem christlichen Leben angehalten werden. Daran erinnert in das Missionskreuz in der Kirche St. Martinus, gefertigt vom Düsseldorfer Bildhauer Karl Hoffmann.
1858
Pfarrer Poll erlebt den Bau des neuen Pfarrhauses nicht mehr, doch sein Nachfolger kann einziehen. Die schmucke Immobilie bildet ein Ensemble mit dem Alten Pastorat. (Die Denkmalliste der Stadt nennt 1887 als Errichtungsjahr).
1879
Die Geschwister Heinrich Johann Joseph und Josepha Kruchen überlassen der katholischen Kirchengemeinde ihr Vermögen, damit sie ein Waisen- und Pflegeheim baut und unterhält. Das St. Josephs-Haus entsteht nahe der Kirche.
1880
Einige (nachlässig ausgeführte) bauliche Veränderungen sind nicht mehr genau zu datieren. Hier ein neuer Türdurchbruch, dort ein zugemauertes Fenster – Teilbereiche des Gebäudes wurden umgewidmet und provisorisch nutzbar gemacht.
Dann verändern zwei Weltkriege das Leben radikal und fordern ihre Opfer. Viele Wevelinghover Familien verlieren Angehörige und Besitztümer. Das Alte Pastorat bietet Flüchtlingsfamilien ein Dach über dem Kopf. Stromkabel werden eingezogen, notdürftige Reparaturen ausgeführt.
1960
Die Bewohner des Alten Pastorates werden es kaum wertschätzen, dass sie in historisch bedeutsamen Mauern hausen. Es zieht durch alle Ritzen. Es ist muffig, feucht und kalt. Bunte Tapeten sollen die Laune heben.
1970
Ende der 1960er/Anfang der 70er Jahre muss und mag niemand mehr im ungemütlichen Alten Pastorat leben. Es steht fortan leer, das Dach wird undicht, Tapeten schälen sich von den Wänden, Schwamm- und Pilzbefall kriecht ins Mauerwerk.
1980
Der Verfall geht weiter: Die Zwischendecken faulen, Ungeziefer nagt von First bis Keller an der Substanz, Vögel nisten im Dachstuhl. Kletterpflanzen erobern Stein um Stein, Fuge um Fuge. Sie bedecken die historisch wertvolle Bauruine.
1990
Als Baudenkmal mit der Nummer 76 wird das Ensemble aus Altem Pastorat und Pfarrhaus des 19. Jahrhunderts in der Denkmalliste der Stadt Grevenbroich aufgeführt. Damit erlangt das älteste Haus Wevelinghovens einen schützenswerten Status.
2002
Das Rheinische Amt für Denkmalpflege bestätigt 2002: „Es zeigte sich eine aufschlussreiche, bauhistorisch bedeutende Befundsituation“, mit ihrer „noch gut ablesbaren und in wichtigen Ausstattungsteilen erhaltenen Raumstruktur.“
2011
Die Neusser St.-Augustinus-Kliniken möchten zwischen Erft und Pfarrkirche in ein hochmodernes Seniorenzentrum bauen. Die Kapelle und das Gutshaus am Klosterweg werden einbezogen, Krankenhaus und Pfarrzentrum machen Neuem Platz.
2012
Auf den Abriss des alten Pfarrzentrums reagiert die Kirchengemeinde mit der Idee zum Neubau eines Pfarrsaals, der im direkten Ensemble mit dem Alten Pastorat und dem Pfarrhaus gebaut werden soll.
2017
Auf diese frohe Botschaft hat Wevelinghoven lange gewartet: Die Arbeiten am neuen Martinus Forum können im Frühjahr beginnen! Das Erzbistum Köln hat 2,5 Millionen Euro bewilligt. Die Baugenehmigung wird erteilt.